Quarzmikrowaage mit Dissipationsaufzeichnung (QCM-D)
Die Quarzmikrowaage mit Dissipationsaufzeichnung (Quarz Crystal Microbalance with Dissipation Monitoring, QCM-D) ist eine Anwendung der Schallwellensensoren (acoustic wave sensors) und basiert auf der klassischen Schwingquarzwaage. In früheren Jahren diente die QCM hauptsächlich des Studiums von Adsorptionsvorgängen aus der Gasphase. Diese Technik wurde in den 1990er Jahren von Rodahl und Mitarbeitern entscheidend weiter entwickelt /1/.
Sie hat sich seitdem als Technik zum Studium von Adsorptionsvorgängen im Bereich der weichen Materie wie Polymeren, Proteinen, Lipiden und Zellen bewährt. So wurden bereits biologisch relevante Fragestellung wie die Adsorption von Proteinen an festen Grenzflächen, Wirkungsprinzipien von Enzymen, die Formierung von Lipid-Filmen an festen Grenzflächen, DNA – Pharmawirkstoff – Interaktion, Protein Vernetzung (cross-linking), das Adsorptionsverhalten von Zellen, Wechselwirkungen zwischen Nanopartikeln und Oberflächen sowie die Adsorption verschiedenster Polymere.
Vorteile der Methode sind, dass sie sehr schnell ist, markierungs- und zerstörungsfrei arbeitet sowie mit kleinen Probemengen und ohne Referenzmessung auskommt. Hauptnachteil ist, dass nicht ohne weiteres zwischen Grenzflächen- und Volumeneffekten unterschieden werden kann. So können Frequenzverschiebungen auch durch die Änderung der Dichte der Volumenphase oder durch elektrische Effekte durch geladene Elektrolyte erfolgen.
Ein QCM-D Sensor besteht aus zwei Elektroden, die räumlich durch eine Quarz-Scheibe als Trägermaterial getrennt sind. Wird an die Elektroden eine Wechselspannung mit der richtigen Frequenz angelegt, so wird durch den inversen piezoelektrischen Effekt der Quarzkristall mit seiner Eigenfrequenz deformiert und in Schwingung versetzt. Die Piezoelektrizität ist bekannt als physische Verformung eines Kristalls beim Anlegen einer elektrischen Spannung.
Diese Schwingung bildet eine stehende, transversale akustische Welle senkrecht zur Quarzoberfläche durch den Quarz hindurch aus. Die Eigenfrequenz f0 wird durch die Dicke der Quarzscheibe und den Winkel zwischen Oberfläche und Kristallachse bestimmt. Sie berechnet sich über:

wobei dq die Dicke des Quarzes, rq die Dichte des Quarzmaterials (2,648 g/cm) und µq sein Schermodul (2.957×1010 N m-2) sind.
Die Methode selbst basiert auf der Änderung der Eigenfrequenz (Resonanzfrequenz) der piezoelektrischen Kristallscheibe, sobald diese mit einer Fremdmasse der Schichtdicke Δd beladen wird. 1959 stellte Günter Sauerbrey eine lineare Beziehung zwischen Massebeladung Δm und der Änderung der Resonanzfrequenz Δf von Schwingquarzen fest und stellte folgende Formel auf /2/:

Hierbei ist A die Elektrodenfläche auf dem Quarz und C eine Konstante. Für einen 5 MHz-Schwingquarz bedeutet das, dass eine Masseanlagerung von 17,7 ng auf einer Fläche von einem cm² eine Frequenzänderung von 1 Hz hervorruft. Werden Moleküle an der Oberfläche adsorbiert, so führt dies zu einer negativen Frequenzverschiebung und bei einem Desorptionsvorgang zu einer positiven Frequenzverschiebung. Die Sauerbrey-Gleichung gilt jedoch nur für starre Filme, weshalb die QCM-Technik lange Zeit nur als Massendetektor für Gase eingesetzt wurde.
Eine sehr häufige Anwendung der QCM ist als Masse-Sensor, der die Adsorption dünner Filme aus Flüssigkeiten oder Gasen aufzeichnet. Es kann auch als ein chemischer Sensor eingesetzt werden, wenn man die Oberfläche der Mikrowaage mit einer chemisch sensitiven Schicht modifiziert. Abbildung 1 zeigt das Schema eines QCM-D Sensors.

Abb. 1: QCM-D Sensor, entnommen /3/
Neben der Frequenz detektiert die QCM-D noch die Dissipation, die auch als Dämpfung bezeichnet wird. Die Dämpfung ist eine Messgröße, die hauptsächlich durch die viskoelastischen Eigenschaften der angelagerten Masse beeinflusst wird. Jede natürliche Schwingung verliert zum einen durch innere Reibung und zum anderen infolge von Dämpfung durch die umgebende Materie an Energie.
Bei der Quarzmikrowaage fällt diese Dämpfung im Vakuum oder in gasförmiger Umgebung gering aus, da Gase eine sehr geringe akustische Impedanz besitzen. Mit akustischer Impedanz sind hier alle Widerstände gemeint, die der Ausbreitung einer Schwingung entgegenwirken. Wird ein Quarz jedoch in flüssiger Umgebung zu Schwingungen angeregt, erfolgt durch die umgebende Flüssigkeit eine erhebliche Dämpfung der Schwingung.
Diese Dämpfung galt lange Zeit als unüberwindbares Hindernis zur Anwendung der QCM in Flüssigkeiten. Aber durch die rasante Entwicklung der Elektrotechnik in den letzten Jahren konnte geeignete Elektronik zur Verfügung gestellt werden, die eine ausreichend stabile Schwingung in flüssiger Umgebung ermöglichen. Wird diese Dämpfung während eines Experiments erfasst, können zusätzliche Informationen über die Beschaffenheit der adsorbierten Masse an der Quarzoberfläche, insbesondere über deren viskoelastisches Verhalten, gewonnen werden. Mathematisch kann die Dissipation D wie folgt beschrieben werden /4, 5/:

wobei Ediss die abgegebene Energie während eines Oszillationszyklus und Estored die Gesamtenergie während eines Ozillationszyklus ist. Abbildung 2 soll das Arbeitsprinzips der QCM-D noch einmal zusammenfassend darstellen.
Die zeitliche Oszillation des Feldes kann durch folgende Funktion beschrieben werden:

wobei A(t) die Amplitude zur Zeit t, A0 die Amplitude zur Zeit t = 0, f die Frequenz, D die Dissipation und j der Phasenwinkel sind.

Abb. 2: Schematische Darstellung des Arbeitsprinzips der QCM-D. Der piezoelektrische Quarzkristall ist zwischen zwei Elektroden eingeschlossen (a). Das Anlegen einer elektrischen Spannung an dem Elektrodenpaar führt zu Scherdeformationen des Kristalls (b). Das Ergebnis einer angelegten Wechselspannung ist ein oszillierendes Deformationsfeld mit einer bestimmten Frequenz (c). Nach dem Öffnen des Stromkreises wird das Abklingen der Oszillation aufgezeichnet (d, e). Abbildung /6/ entnommen.
Besitzt die Adsorbatschicht viskoelastische Eigenschaften (siehe Abbildung 3), treten zusätzlich Dämpfungseffekte auf und die auftretende Frequenzverschiebung ist im Vergleich zu einem starren Film mit gleicher Massendichte reduziert. Durch quasi-simultane Messung von Frequenzänderung und Dissipation bei unterschiedlichen Resonanzfrequenzen sowie Anwendung geeigneter Rechenmodelle ist es möglich, aus den Messdaten die Massendichte und Viskoelastizität des Adsorbats zu ermitteln /7/:


mit
und 

Abb. 3: Viskoelastisches Modell, entnommen /8/
Dies ist ein entscheidender Vorteil des QCM-D-Systems gegenüber anderen Schwingquarzsystemen, die meist im Dauerstrichbetrieb arbeiten und auf eine exakte Bestimmung von Dämpfungseffekten verzichten. In den obigen Formeln wurden zwei Adsorbatschichten mit Dichte ρj, Dicke hj, Elastizität μj und Viskosität ηj (j = 1,2) berücksichtigt. ρ3, h3, μ3 und η3 kennzeichnen die entsprechenden Größen für die Flüssigkeit.
Moderne QCM-D Systeme zeichnen nicht nur den Grundton (meist 5 Mhz) sondern auch den dritten (15 MHz), den fünften (25 MHz) und siebten (35 MHz) Oberton der Schwingung auf. Für die Datenauswertung müssen die Frequenz- und Dissipationsverschiebungen wieder auf den Grundton normiert werden.
Für die Messung selbst wird die Probelösung kontinuierlich mit einer peristaltischen Pumpe mit einer konstanten Fließgeschwindigkeit in den Probenraum eingespült. In dem Gerätegehäuse findet sich eine Probenschleife, in der die Lösung vortemperiert wird. Bei großen Differenzen zwischen Umgebungs- und Messtemperatur sollte die Probelösung jedoch vortemperiert werden. Abbildung 4 zeigt ein Schema der eingesetzten QCM-D Technik.

Abb. 4: Aufbau des QCM-D Messgerätes. Abbildung /9/ entnommen.
Nach der kurzen Vorstellung der QCM-D als Technik sollen ein paar Beispieldaten gezeigt werden, die während meiner Dissertation aufgenommen wurde. Als erstes soll die Formierung der Polyelektrolyte PAH (positiv geladen) und PSS (negativ geladen) auf der entsprechend gegensätzlich geladenen Oberflächen (siehe Abschnitt Polyelektrolyte in der Rubrik Präparationen).

Abb. 5: Adsorption von der Polyelektrolyte PSS und PAH. Die Frequenzverschiebung für PSS (22 Hz) fällt stärker aus als für PAH (13 Hz). Beide Kurven haben nur eine geringe Verschiebung in der Dissipation, was auf sehr starre Filme hinweist.
Nun soll die Formierung von einer Doppelschichten mit dem Phospholipid DMPC auf positiv geladenen Polyelektrolytuntergrund gezeigt werden. Das natürlich vorkommende Lipid ist von zwitterionischer Natur und hat somit eine positive und eine negative Ladung. Abbildung 6 zeigt die Bildung der DMPC-Doppelschicht mit Vesikeln, die in 0,15 mol/l Natriumchlorid gelöst wurden (siehe Abschnitt Präparation Liposomen). Wie der Messkurve entnommen werden kann, wird zunächst eine Lipid-Doppelschicht gebildet, die jedoch beim Ausspülen mit einer 0,15 mol/l Natriumchlorid-Lösung kollabiert (siehe starker Frequenzabfall). Die Bildung der DMPC-Doppelschichten erfolgte auf PAH-terminierten, positiv geladenen Oberflächen.

Abb. 6: Adsorption von 0,5 mg/ml DMPC-Vesikeln, in 0,15 mol/l NaCl gelöst, gemessen mittels QCM-D bei 28°C. Nach dem Einspülen der Vesikel setzt eine schnelle Adsorption ein. Das Durchschreiten eines Frequenzminimums indiziert den Beginn des Aufplatzens der Vesikel. Nach dem Ausspülen der Vesikel mit 0,15 mol/l NaCl gibt es abermals einen starken Frequenzabfall.
Im Folgenden wurde versucht die Präparation zu verfeinern, denn mit dem Spreiten der Vesikel wurde ein wesentlicher Schritt zur Bildung von Doppelschichten erreicht. Eine Variante dabei war es, der Lösung zusätzlich zum Natriumchlorid eine geringe Konzentration Calciumchlorid zuzusetzen. Dabei wurde die physiologische Konzentration von 0,002 mol/l gewählt. Abbildung 7 zeigt die mittels QCM-D beobachtete Adsorption.

Abb. 7: Adsorption von 0,5 mg/ml DMPC-Vesikel, gelöst in 0,15 mol/l NaCl und 0,002 mol/l CaCl2, gemessen mittels QCM-D bei 28 °C Die Kurve erreicht ein sehr ausgeprägtes Frequenzminimum von fast -100 Hz. Danach steigt die Kurve wieder auf -25 Hz an. Dies entspricht dem erwarteten Wert für eine Doppelschicht. Nach einer leichten Drift stabilisiert sich die Kurve beim Spülen mit einer 0,15 mol/l NaCl und 0,002 mol/l CaCl2-Lösung.
Abbildung 7 ist zu entnehmen, dass die Zugabe von 0,002 mol/l Calcium das Kollabieren der Lipidfilme verhindert. So ist ein typischer Kurvenverlauf für die Bildung von Lipid-Doppelschichten zu sehen. Zuerst werden die Liposomen an der Grenzfläche adsorbiert bis ein ausgeprägtes Frequenzminimum erreicht wird. Das Minimum repräsentiert die kritische Beladung der Oberfläche, nach der das Aufplatzen der Vesikel beginnt. Durch das Aufplatzen gehen der Oberfläche Lipid- und Wassermoleküle verloren, wodurch die Frequenz wieder ansteigt. Wie Abbildung 7 zeigt, stabilisiert sich der Film bei einer Frequenzverschiebung von 25 Hz und Zugabe von Ca2+-Ionen, was in etwa einer Lipid-Doppelschicht entspricht.
Für die Bildung von Lipid-Doppelschichten auf SiO2-Oberflächen sei an dieser Stelle noch einmal explizit auf /6/ hingewiesen.
/1/ Rodahl, M.; Höök, F.; Krozer, A.; Brzezinski, P.; Kasemo, B., Quartz crystal microbalance setup for frequency and Q-factor measurements in gaseous and liquid environments, Review of Scientific Instruments, 66, 3924-3930, 1995
/2/ G. Sauerbrey, Journal of Physics, 155, 206 - 222, 1959
/3/ S. L. Hellstrom, Introduction to Quartz Crystal Microbalance, gefunden am 03.09.2012 auf http://large.stanford.edu/courses/2007/ph210/hellstrom2/
/4/ D. S. Ballantine, R. M. White, S. I. Martin, A. J Ricco, E. T. Zellers, G. C. Frey, H. Wohltjen, Acoustic wave sensors: theory, design and physico-chemical applications. Academic Press Inc., ISBN: 0120774607, 1996.
/5/ F. Höök, Development of a novel QCM technique for protein adsorption studies, PhD thesis, Chalmers University of Technology, 2001.
/6/ Ralf Richter, The Formation of Solid-Supported Lipid Membranes and Two-Dimensional Assembly of Proteins, Ph.D. thesis, University of Bordeaux, 2004
/7/ M. V. Voinova, M. Rodahl, M. Jonson, B. Kasemo, Phys. Script. 1999, 59, 391
/8/ M. Eita, Interaction of humic acid with clay mineral model surfaces in the presence and absence of Gd+3; A study comprising QCM-D, ellipsometry and XPS, Universität Heidelberg, Ph.D. thesis, 2008
/9/ http://www.pci.uni-heidelberg.de/pci/fpraktikum/WS06/QCM-D.pdf, gefunden am 14.05.2008
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