hydrophil und hydrophob

hydrophob und hydrophil, was ist das und was soll das??

 

An dieser Stelle soll eine wichtige Eigenschaft von Materie, die Hydrophobizität und Hydrophilität, erklärt werden. Um einen Einstieg zu erhalten, soll zunächst die Bedeutung der Wörter betrachtet werden. Beide Substantive beginnen mit dem Präfix „hydro“, was aus dem altgriechischen stammt und so viel wie „Wasser“ bedeutet. Die Silbe „phobus“ aus dem altgriechischen bedeutet so viel wie „Furcht“ und hydrophob bedeutet so viel wie wassermeidend oder wasserabweisend. Das Suffix „philos“, ebenfalls aus dem altgriechischen, bedeutet „liebend“; hydrophile Substanzen sind damit wasserliebend und damit gut wasserlöslich. Materie kann somit eine der beiden Eigenschaften annehmen: wasserliebend oder wasserabstoßend.

 

Im Umkehrschluss kann man auch die Betrachtung aus Sicht der organischen, fettliebenden Lösungsmittel (griech. Lyo = lösen) betrachten. Ein Molekül kann entweder fettliebend und gut löslich in organischen Lösungsmittel (lyophil) oder eben eher fettabweisend (lyophob) sein. Wir fassen zusammen: Moleküle können wasseranziehend und gleichzeitig fettabstoßend (hydrophil, lyophob) sein und auf der anderen Seite wasserabstoßend und fettliebend (hydrophob, lyophil). Selbstverständlich gibt es Grenzbereiche, wo ein sich ein Molekül zwischen beide Eigenschaften einordnen lässt. Aber warum ist das so? Die soll im nachfolgenden Text erläutert werden.

 

Grund für das oben erklärte Verhalten ist die Polarität der Moleküle. Jedes Atom im Periodensystem der Elemente hat eine ihm eigene Konstante: Die Elektronegaivitätszahl (EN). Die EN ist eine dimensionslose Zahl. Sie ist ein relatives Maß für die Fähigkeit eines Atoms, in einer chemischen Bindung Elektronenpaare an sich zu ziehen. Wir rufen uns nochmal den Aufbau eines Atoms ins Gedächtnis: Im Zentrum des Atoms befindet sich der Kern, welcher die Protonen und Neutronen beherbergt und fast die vollständige Masse des Atoms ausmacht. Die Elektronen umkreisen den Atomkern auf festgelegten Bahnen. Geht ein Atom mit einen anderen Atom eine Bindung ein, so teilen Sie sich ein Elektronenpaar.

 

Jedes Atom hat eine gewissen Affinität, das Elektron des Bindungspartners an sein eigenes Atom heranzuziehen. Das Maß für diese Affinität zu den Elektronen ist die Elektronegativität respektive die Elektronegativitätsdifferenz zwischen beiden Partner. Betrachten wir ein Molekül, welches aus zwei gleichen Atomen besteht, so existiert keine Elektronegativitätsdifferenz. Damit ist dieses Molekül (z. B. Stickstoff N2 oder Sauerstoff O2) gänzlich unpolar. Das Atom mit der geringsten Elektronegativität ist das Lithium (Li, EN = 0,97), den größten Wert nimmt das Flour (F, EN = 4,17). Das Lithiumfluorid (LiF) ist somit die polarste Verbindung zwischen zwei Atomen. Allgemein kann man sagen, dass bei einer Elektronegativitätsdifferenz EN bis 0,5 von einer unpolaren Verbindung und > 0,5 von einer polaren Bindung gesprochen wird. Ab einen Elektronegativitätsunterschied von > 1,7 spricht man von einer Ionenbindung bei der der elektronegativere Partner das Elektron vom schwächeren Partner komplett aufnimmt. Um die Sache noch etwas verständlicher zu machen, werden die Begriffe noch einmal gegenübergestellt.

 

unpolar = wasserabstoßend = hydrophob = fettliebend = lyophil

 

polar = wasserliebend = hydrophil = fettabstoßend = lyophob

 

Eng verbunden mit der Hydrophobizität und Hydrophilität ist der Sachverhalt der Löslichkeit. Die alte Chemiker – Weisheit besagt: „gleiches löst sich gut in gleichen“. So sind beispielsweise die Flüssigkeiten Wasser und Methanol (H3C-OH) sind beispielsweise ähnlich polar und Mischen sich mit jeden Verhältnis und bei jeder Temperatur. Salze beispielsweise wie Kaliumchlorid (KCl) sind in Wasser sehr gut nach der Dissoziation löslich, weil die geladenen Teilchen sehr gut mit den polaren Wassermolekülen über die Wasserstoffbrückenbindungen hydratisiert und stabilisiert werden. In einem hydrophoben Lösungsmittel wie beispielsweise Dodecan werden die geladenen Teilchen abgestoßen und die Salze können nicht aufgenommen werden. Zusammenfassend gilt Folgendes: polare oder geladene Stoffe lösen sich gut in polaren Lösungsmitteln und unpolare Verbindungen lösen sich in unpolaren Lösungsmitteln.

 

Eine typische polare Substanz ist das Wasser. Wasser besteht aus den Elementen Wasserstoff (EN = 2,20) und Sauerstoff (EN = 3,50). Die Elektronegativitätsdifferenz beträgt somit EN = 1,30 und die Verbindung ist somit stark polar. Folgendes Bild zeigt das Wassermolekül:

 

001 Wasserklein

Das + meint hier eine positive Partialladung und das - eine negative Partialladung durch den oben diskutierten Elektronegativitätsunterschied. Mehr interessante Fakten zum Wasser sind unter der eigenen Rubrik „Wasser“ im Bereich „Natur“.

 

 

Betrachten wir eine andere Verbindung wie zwischen dem Kohlenstoff und Wasserstoff wie beispielsweise im Treibhausgas Methan (CH4). Das Methan besteht aus den Elementen Wasserstoff (EN = 2,20) und Kohlenstoff (EN = 2,50). Der Elektronegativitätsunterschied beträgt somit EN = 0,30 und die Verbindung ist somit stark unpolar. Am Molekül selbst sind keine Partialladungen vorhanden. Das Molekül sieht wie folgt aus:

 

002 Methan

 

 

 

 

Den großen Einfluss der Polarität auf das Leben lässt sich daran ableiten, dass das Wasser mit seiner großen Polarität auch als „Quelle des Lebens“ bezeichnet wird und der menschliche Körper mit seien Funktionsträgern wie Proteine, Lipide und Polysaccharide auf der Basis von teils unpolaren Kohlenwasserstoffen konstruiert ist. Die Polarität von Molekülen wie auch zum Beispiel von Medikamenten, die auch stark vom pH Wert abhängt, ist von entscheidender Bedeutung in der Verteilung und Bioverfügbarkeit im menschlichen Körper. So kann beispielsweise ein Arzneimittel im Rachenraum (pH8) ungeladen und damit sehr fettlöslich sein. Gelangt es in den Magen (pH 2-3), so kann es ionisiert und damit polarer werden, was den Eintritt der Substanz in das Gewebe und die Blutbahn erleichtert. Ebenfalls haben Proteine hydrophile und hydrophobe Bereiche, was sich sehr im Verhalten im Körper bemerkbar macht. Es gibt auch Moleküle, die sowohl polar und auch unpolar sind. Beispiele sind die Tenside (siehe Abschnitt „Waschmittel“ in „Natur“) oder auch die Phospholipide (hier 1,2-dimyristoyl-sn-glycero-3-phosphocholine, DMPC):

 

003 DMPC

 

 

Das DMPC hat mit den beiden Dimyristoyl-Fettsäureketten einen unpolaren, hydrophoben Schwanzgruppen und eine polare, hydrophile Kopfgruppe durch das Bestehen von Ladungen und dem Vorhandensein von elektronegativen Atomen (8 Sauerstoffatome, 1 Stickstoffatom). In der Biologie können sich die Lipide in einem „self assembled process“ selbstständig organisieren, in dem sich zwei Fettsäureketten zweier Lipidmoleküle gegenüberstehen und die geladenen Kopfgruppen zur Lösung (Wasser, hydrophil) hin orientiert sind. Die beiden aufeinander schwimmenden Fettsäureketten bilden dann eine „zweidimensionale Flüssigkeit“.

 

 

 

Bleibt abschließend die Frage: Kann man die Hydrophobizität bzw. Hydrophilität messen? Ja man kann. Herangezogen dafür wird der Verteilungskoeffizient. Er ist wie folgt definiert:

 

 

P = [Fett] / [Wasser] logP = log ([Fett] / [Wasser])

 

 

 

Die [ ] gesetzte Komponente ist die Konzentration des Analyten in einer der beiden flüssigen Phasen. Um die Wasser bzw. Fettlöslichkeit einer Substanz zu messen, wird in einem Gefäß Wasser und das organische Lösungsmittel befüllt. Da sich die beiden Flüssigkeiten nicht miteinander mischen, bilden sich zwei Phasen, wobei sich das Wasser am Gefäßboden absetzt und die organische Phase oben (mit der Ausnahme Chloroform CHCl3) verbleibt. Nun gibt man die Substanz in das Gefäß und schüttelt ausreichend lange dass sich das Wasser, das organischen Lösungsmittel und der Analyt gut mischen und sich ein Gleichgewicht einstellt. Anschließend wird mittels Analytik (z. B. HPLC) die Konzentration im Wasser und Lösungsmittel bestimmt. Dividiert man die Konzentration der Zielsubstanz im Lösungsmittel durch die Konzentration im Wasser, so erhält man den Verteilungskoeffizient P. In der Regel wird der Koeffizient als dekadischer Logarithmus (logP) angegeben, um praktikablere Werte zu bekommen. Abschließend soll erwähnt werden, das hohe logP Werte für hydrophobe (wasserabweissende) Substanzen steht und niedrige oder gar negative Werte für hydrophile (wasserliebende) Substanzen gilt. Als organische Lösungsmittel kommen 1-Oktanol, Dodecan, Chloroform, Olivenöl und andere zum Einsatz. Im Folgenden werden einige Substanzen und ihr logP in den in der Pharmaindustrie am häufigsten eingesetzten 1-Oktanol.

 

004 Molekül 1

005 Molekül 2

006 Molekül 3

 

Die oben aufgeführten Verbindungen sind typische Pharmasubstanzen, die in bewehrten Medikamenten enthalten sind. Sie sind geordnet von sehr gut wasserlöslichen Substanzen (Naproxen (logP = -1,3)) hin zu sehr hydrophoben Substanzen wie Chlorpromazin (logP = 5,4 ). Beim genauen betrachten erkennt man beim Naproxen die Hydrophilität. So besitzt das Molekül ein Flouratom (EN = 4,2), drei Sauerstoffatome (EN = 3,5) sowie drei Stickstoffatome (EN = 3,1), die deutlich bezüglich der Elektronegativität vom Kohlenstoff (EN = 2,5) und Wasserstoff (EN = 2,2) unterscheiden. Da die elektronegativen Atome rund um das Molekülgerüst verteilen, gibt es auch keine hydrophoben Cluster.

 

 

 

Beim Nadolol und Naloxon erkennt man, dass neben dem drei Sauerstoffatomen und einem Stickstoff weniger elektronegative Atome in den Verbund vorhanden sind. Somit ist der Kohlenwasserstoffanteil höher und die Substanz ist hydrophober und der Verteilungskoeffizient steigt. Beim Chlorpromazin schließlich ist kein Flour bzw. Sauerstoffatom mehr vorhanden und die Verbindung ist trotz zweier Stickstoffatome sehr hydrophob, weil das Chloratom (EN = 2,8) und das Schwefelatom (EN = 2,4) sich in der Elektronegativität kaum vom Kohlenstoff und Wasserstoff unterscheiden. Man beachte das bei einem logP = 5 sich 100.000 Moleküle in der organischen Phase befinden und lediglich 1 Molekül in der wässrigen Phase.

 

 

 

Darüber hinaus soll erwähnt werden, dass es noch einen zweiten Parameter für die Charakterisierung der Hydrophobizität respektive Hydrophilität gibt. Das zu betrachtende Untersuchungsobjekt sind jedoch keine einzelnen Moleküle sondern Grenzflächen. Der dafür bestimmte Parameter ist der Kontaktwinkel. Gemessen wird dieser Wert mit einem Goniometer. Dafür wird eine Tropfen Flüssigkeit auf die Oberfläche gegeben und je nach Oberflächenbeschaffenheit nimmt der Tropfen eine bestimmte Geometrie ein. Die Messung kann mit jeder beliebigen Flüssigkeit ausführen aber in der Regel wird Wasser verwendet. Setzt man unpolare Lösungsmittel wie Dodecan ein, so ist die Anordnung des Tropfens natürlich genau entgegen gesetzt wie das Wasser. Betrachtet man den Tropfen von der Seite, so sieht man folgendes Bild:

 

007 Kontaktwinkel

 

 

 

 

Die Linie zwischen 0° und 180° entspricht genau der Grenzfläche. Aus der Abbildung erkennt man, dass der Kontaktwinkel theoretisch nur Werte zwischen 0° und 180° annehmen kann. Der schwarz gekennzeichnete Tropfen ist die Flüssigkeit, wir nehmen an es ist aus Wasser. Man projiziert den Tropfen auf ein Winkelmesser und liest den Kontaktwinkel in der Art und Weise ab, in dem man eine Tangente an der Schnittstelle an der Wurzel Oberfläche/Tropfen anlegt. Unsere Probe hat einen Kontaktwinkel von 50°, was hydrophil wäre. In älteren Geräten betrachtet man den Tropfen auf der Oberfläche und man liest den Winkel manuell ab. In moderneren Instrumenten macht man ein Foto und lässt sich den Winkel von einer Software berechnet.

 

Im Folgenden sollen noch zwei Bilder zeigen, wie sich der Flüssigkeitstropfen auf hydrophilen und hydrophoben Grenzflächen formiert. Die erste Abbildung zeigt das Verhalten von Wasser und das zweite Bild zeigt ein organisches Lösungsmittel wie Dodecan oder auch Olivenöl.

 


008 Kontaktwinkel Wasser

 

 

- Wasser als Flüssigkeit -

 

 

 009 Kontaktwinkel organisch

 

- Öl als Flüssigkeit -

 

 

Aber warum sind Grenzflächen hydrophil respektive hydrophil und nicht nur Moleküle? Nun, die Antwort ist denkbar einfach, denn die Grenzflächen bestehen ja auch aus Molekülen. Z. B. ist eine Grenzfläche die aus OH-Gruppen bestehen sehr viel hydrophiler als wie CH3-terminerter Oberflächen. Darüber hinaus können Grenzflächen auch Ladungen haben, die immer hydrophiler sind als wie ungeladene Grenzflächen. Ein Beispiel dafür sind negativ oder positiv geladene Polyelektrolyte. Die Gründe sind wieder in den Elektronegativitäten der beteiligten Atome zu suchen, die die Grenzfläche ausmachen.

 

 

Ein Begriff der eng mit dem Kontaktwinkel verbunden ist, ist die Oberflächenspannung. So hat beispielsweise das Wasser eine sehr große Oberflächenspannung, unpolare Flüssigkeiten hingegen nicht. In dieser Art wechselwirken die Grenzflächen mit der Flüssigkeit. Im Falle einer hydrophilen Grenzfläche gibt es sehr starke Wechselwirkung mit dem Wasser und der Kontaktwinkel ist klein. Je geringer diese Wechselwirkung zwischen Flüssigkeit und Grenzfläche ist, desto größer wird der Kontaktwinkel.

 

 

Abschließend soll noch ein praktischer Sachverhalt kurz angesprochen werden: der Lotuseffekt. Der Lotuseffekt meint das Abperlen von Wasser an (super)hydrophoben Grenzflächen. Der Effekt ist nach der Lotusblume benannt. Bei einigen Pflanzen können Kontaktwinkel von bis zu 160° erreicht werden, wodurch nicht nur das Wasser sondern auch jeglicher Schmutz abperlt. Bei der Lotusblume selbst wird durch die Doppelstruktur der Pflanze bei ihren Blättern einen Kontaktwinkel von etwa 170° erreichen, wodurch ein Tropfen eine Auflagefläche von nur etwa 0,6 % hat. Die Adhäsion zwischen Blattoberfläche und Wassertropfen ist dabei so gering, dass das Wasser leicht abperlen kann. Aufliegende Schmutzpartikel – die ebenfalls nur eine kleine Kontaktfläche besitzen – werden dadurch mitgeführt und weggespült. Unten aufgeführtes Foto zeigt den Lotuseffekt bei einer Pflanze.

 

 

010 2055-morris-lotuseffekt

 

 

 

 

Zu Nutze machen kann sich dieser Effekt der Autofahrer, der seine Frontscheibe in der Art behandelt, dass sie superhydrophob wird mit Kontaktwinkeln von > 160°. Bei entsprechender Geschwindigkeit bewegen sich die Wassertropfen und der Schmutz von der Frontscheibe weg und man kann problemlos fahren ohne die Scheibenwischer zu betätigen. Unten aufgeführtes Bild zeigt den Effekt bei der Scheibe eines Autos.

 

011 Signapur Klare Sicht 1

 

 

 

 

 

 

 

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